Walid Raad ist für seine Performances, Installationen, Videos und Fotografien bekannt. In prachtvollen Bildern und fesselnden Erzählungen berichtet er in seinen Arbeiten von Kunst und deren Geschichten, globalen Konflikten, dem libanesischen Bürgerkrieg. Mit beachtlicher Geschwindigkeit und Leichtfüßigkeit überbrückt er dabei Kontinente und Jahrhunderte und setzt die Rezipient*innen dem Sog von Bild und Wort, von Überlieferung und Erfahrung aus. Behutsam widmet er sich realen wie erdachten Objekten und enthüllt dabei ebenso offensichtliche wie versteckte Formen der Gewaltausübung, die an den Gegenständen ablesbar sind. Von Walid Raads künstlerischer Methode geht etwas Magisches aus. Sie kann mit derjenigen eines Historikers oder Archäologen verglichen werden: Er legt ein weitverzweigtes System von Gängen frei, das Kontinente, Personen, kriegerische Akte und Naturkatastrophen miteinander verbindet. Er kreiert Dokumente, Artefakte, die mit vermeintlich persönlichen Erzählungen beginnen, aber blitzschnell Bezüge zur globalen Finanzwirtschaft, zu geo-politischen Konflikten bis hin zu schwer nachvollziehbaren, übersinnlichen Phänomenen ausprägen.
Walid Raads Einzelausstellung We Lived So Well Together in der Kunsthalle Mainz konzentriert sich auf einen neuen Werkblock, der erstmals im deutschsprachigen Raum zu sehen ist. Mit ihm ist eine Sammlung entstanden, welche die Welt der Vögel, Heuschrecken, Wasserfälle, Blumen, Fliegen und anderer Gliederfüßer mit der jüngeren Vergangenheit des Mittleren Ostens verbindet.
So betrachten wir etwa eigentümliche Collagen aus Bildern von Blumen und Politiker*innen, die einer Geheimdienstagentin zugeschrieben werden, welche während des Bürgerkrieges für die libanesische Armee gearbeitet haben soll. Die Collagen stellen sich als Illustrationen von Codenamen ausländischer Staatsoberhäupter, wie Saddam Hussein oder Ronald Reagan, heraus. Oder die Heuschreckeninvasion von 1915 in Palästina, dem Libanon und Syrien, die schließlich zum Niedergang des Osmanischen Reichs und der Entstehung der meisten Länder des Nahen Osten führte.
Im Rahmen der Ausstellung führt Walid Raad in der ersten und letzten Woche der Laufzeit öffentliche Rundgänge, sogenannte Walkthroughs, in den Räumen der Kunsthalle Mainz durch. In ihnen spricht er über den kreativen Prozess, der seinen Werken vorausgeht und erzählt von historischen und fiktiven Ereignissen, die seine Arbeiten formten. In seiner einzigartigen Manier spinnt Walid Raad sie und die Besucher*innen in ein Netz aus Bezügen, das aus dem Osmanischen Reich über den Ersten Weltkrieg in die Jetztzeit reicht.
Walid Raad, geboren 1967 in Chbanieh, Libanon, ist einer der wichtigsten Künstler seiner Generation. Er nahm an der documenta 11 und 13 teil, hatte Einzelausstellungen im Museo Nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid, im Moderna Museet in Stockholm, dem Stedelijk Museum Amsterdam, dem Louvre in Paris oder dem MoMA in New York. Er ist Professor an der Cooper Union in New York.