SPOCK POETRY
Am Samstag LIVE im (und auf dem) PENG!
art:
Erste Frage die mir bei dem Namen Ralph Turnheim in den Sinn kommt, der Name Turnheim ist kein Unbekannter. Michel Turnheim war ein bedeutender Psychoanalytiker, der u.a. Lacan übersetzte und Freud’s Theorien erweiterte bzw. ergänzte, Fred Turnheim ist einer der stilprägendensten Journalisten Österreichs, so war er Jahrzehntelang beim ORF und 3Sat und hat dort wichtige Fernsehformate ein Gesicht gegeben und nicht zuletzt André Turnheim, ein Regisseur und Theatermann, der z.B. die erste deutsche Fassung von Trainspotting auf die Bühne brachte oder auch Fritz Langs M – eine Stadt sucht einen Mörder wieder zur Aufführung brachte. Die Turnheims stammen alle samt und sonders aus dem Wiener Umfeld, wie Du übrigens auch, – gibt es da eine verwandschaftliche Beziehung, bzw. ist da ein Nest mit Turnheims verortet?
RT:
Von all diesen Turnheims hattest du gehört? Oder hat euch Google bekannt gemacht?? Bin bissl überrascht. Ja, ich bin irgendwie mit jedem Turnheim der Welt verwandt. Den Familiennamen gibt es nur einmal, worauf die Turnheims recht stolz sind. Doch kennen sich die wenigsten persönlich. Fred und André sind entfernte Onkel von mir, aber von den Genannten ist mir nur Fred einmal früher begegnet. André steht mir beruflich natürlich am nächsten, aber unsere Wege haben sich bislang nicht gekreuzt. Kommt sicher noch.
art:
Aber kommen wir nun zu dem Schaffen von Ralph Turnheim. Du vertonst seit etlichen Jahren bevorzugt alte Stummfilmklassiker von Buster Keaton, Laurel & Hardy, Charlie Chaplin oder auch Harold Lloyd und neuerdings auch Folgen der Originalen Star Trek Serie aus den Sechzigern mit Kirk und Spock mit viel Wortwitz und Liebe zu den Originalen und dem Detail. Wie nahm das seinen Anfang? Gibt es da Paralellen zu den wahnwitzigen Reimeskapaden bei der ZDF-TV-Reihe Väter der Klamotte (1973-1986) mit u.a. dem Kabarettisten Hans Dieter Hüsch und Hans Jürgen Diedrich, die die gleichen Slapstickklassiker einem jungen und junggebliebenen Publikum nahebrachte? Oder den Männern ohne Nerven und wie stehst Du z.B. zu den Reimen die die alten Zeichentricksendungen um Paulchen Panther (ab 1973 in der BRD) von Eberhard Storeck in Versform gebracht bis heute so beliebt gemacht hat? Hier ein typisches Beispiel für die Paulchen Reime in der deutschen Fassung zur Veranschaulichung:
Man hat den Paul jüngst engagiert
Dass er zur Sommerzeit gastiert
In einem Badeort bei Celle
Als Geiger in der Kurkapelle
Wo man willkommen und beliebt
Wenn man nicht falsch spielt und viel übt.
RT:
Ach! Mit Paulchen hat das ganze Zeug doch angefangen! Ich war so verblüfft, als ich rausgefunden hatte, dass die Pink-Panther-Cartoons in der Originalsprache gar keine Sprache haben, dass ich daraus mein erstes Programm gebastelt habe. Über ebay habe ich so um 2004/05 in den USA einzelne Filmchen auf 16mm ersteigert. Die liefen dann mehrmals durch meinen Projektor während ich fleißig die Handlung notierte, und danach habe ich an einer eigenen Lyrik-Tonspur gearbeitet. Am liebsten hatte ich jene im Stil einer atemlosen Sport-Reportage und die im Wiener Dialekt. Nachdem dieses Zusammenspiel von Film, Reim und Live-Lesung so fein funktionierte, habe ich mich nach Jahren an “echte” Stummfilmkomödien herangewagt, um sie völlig neuartig zu vertonen. “Väter der Klamotte” war und ist da übrigens kein Vorbild: Wenn sie im österreichischen Fernsehen lief, dann ohne meine Anteilnahme. Und: Ich schneide nicht an den Klassikern rum. Ich spreche nur.
art:
Aktuell steht am Samstag dem 27.7.2013 im Mainzer PENG um 21:00 Uhr in einer Liveaufführung und Vertonung einer der berühmtesten und in der deutschen Originalfassung am meisten umgeschittenen und inhaltlich umgedeuteten TV Star Trek Folgen an, nämlich die Folge Amok Time mit einem Wiener Zungenschlag (1. Folge 2.Stafel, USA 15.9.1967/BRD 12.1.1974), in der Spock seine vulkanische Brunftzeit durchläuft und für diverse Komplikationen sorgt, da die Vulkanier in dieser Zeit sich mehr wie Klingonen aufführen und die Logik, Logik sein lassen. Eignet sich solches, man möchte schon fast sagen, ikonographisches Material besonders gut zur Neuvertonung und Zufügung von weiteren Deutungsebenen und wie gehst Du da ran, oder in einfachen Worten, auf was muss Dein Publikum gefasst sein, das noch nicht eine Deiner vielen Veranstaltungen in der Vergangeheit geniesen konnte?
RT:
Meine Herangehensweise würde ich so erläutern: Ich stehe auf diese Folge. Sie zählt dramaturgisch zum Besten, was Star Trek hervorgebracht hat. Wenn ich sie also live mit neuen Texten synchronisiere, dann will ich, dass mir jeder im Publikum zu dieser Erkenntnis folgt: Welch wahres Epos zwischen Pappfelsen! Tatsächlich kann ein leibhaftiger Erzähler, der alle Rollen übernimmt, eine Geschichte noch näher an den Zuhörer bringen. Auf der Leinwand die überlebensgroßen Bilder, neben der Leinwand der kleine Geschichtenerzähler – das macht das Kinoerlebnis strange aber auch sehr persönlich.
art:
Bei dem Punkt Science Fiction und meisterlicher Umgang mit der Sprache bzw. mit besonderen Dialekten im Bereich der Science Fiction, dem deutschen Fernsehen und dem Fernsehspiel und dem Humor fällt einem sofort die mittlerweile zwei Staffeln umfassende Serie Ijon Tichy (2007/2011) ein, welche auf den Werken von Stanislaws Lems Sterntagebüchern basieren. Was hälst Du von dieser Arbeit von Filmstudenten ursprünglich in ihren Studentenbuden entstandenen Produktion? Job well done oder eine Frechigkeit, die sich da u.a. Oliver Jahn da erlaubt hat, und würde es Dich nicht jucken bei einer möglichen dritten Staffel den Kosmischen Kollegen zur Seite zu stehen?
RT:
Ich habe “Tichy” zugegeben nur am Rande verfolgt, und da wohl auch eher wegen der Tschirner als wegen dem Lem. Aber das war doch charmant gemacht! Und ich trau mich mal zu sagen, dass ein “frechiger” Umgang nie ganz falsch sein kann!
art:
Eines der nächsten Projekte, die in Deinem Terminkalender anstehen, ist die Live Vertonung des Buster Keaton Langstummfilmklassiker Der General (1927) in Offenbach am 8. September im Hof des Büsing Palais. Das ist dann die Marathonstrecke, gegenüber einer TV Folge Star Trek. Wie hälst Du solange in der Livesituation die Spannung, bzw. die Stimmung am Leben, hast Du Dir da über die Jahre bestimmte Techniken angeeignet, wie z.B. die Schnappatmung dem Publikum zu überlassen, um es mal platt auszudrücken und wieso vertonst Du eigentlich mit Gusto vor allem Stummfilmklassiker, gibt es da einen bestimmten Grund?
RT:
Da hast du so viele Fragen reingepackt, dass ich Schnappatmung bekomme!! Kurze Antwortversuche:
Frage 1: Üben, das verringert den Stress bei der Vorführung beträchtlich. Und wenn Text und Geschichte lebendig sind, vergeht die Zeit wie im Flug.
Frage 2: Stummfilmklassiker sind erstens toll und zweitens zum Vertonen da. Ich komme aber langsam auf den Geschmack der Tonfilm-Vertonung.
Gegenfrage: Wusstest du, dass im Kino alles mit dem Sprecher anfing, man ihn aber dann verboten und schließlich vergessen hat? (Ich nicht.)
art:
Bleibt noch Dir und Deinem Publikum in Zukunft viel Spass an Deinen sprachlichen Eskapaden zu wünschen und wer Deine Termine verpasst, der bestraft sich sozusagen selber …
RT:
Weise Worte, gelassen ausgesprochen.
Alles Gute und bis demnächst in diesem Theater …
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